Weisst du noch - oder lernst du schon?
Viele Menschen wollen verstehen, erklären, durchdringen. Vieles lässt sich aber nicht durchdringen. Unsere noch so cleveren Theorien sind der Realität egal. Wirkung erzielt man im Tun. Nicht im drüber reden.
Nicht selten wird die cleverste Person im Team zum Chef befördert. Behält so eine Person ihr bisheriges Mindset, verliert das Team einen super Mitarbeitenden - und gewinnt einen mittelmässigen Chef.
Denn erklären, verstehen und durchdringen wollen ist im Fachlichen manchmal sinnvoll. Wirksamer Führung steht dieses Mindset aus mehreren Gründen im Weg:
1. Wirkung entsteht im Tun
"It's not about predicting the future - it's about surviving it!" Tom Koulopoulos beschreibt eine Lernhaltung. Tun hat einen weiteren Vorteil: Es wirkt. Tun bringt voran, bringt Erkenntnisse, bringt Schwung.
Wer segelt, kennt die Metapher: Ein stillstehendes Boot ist nicht steuerbar. Manchmal muss man in die komplett falsche Richtung losfahren, um, sobald das Ruder wieder wirkt, steuern zu können.
2. Recht haben verbraucht viel Energie
Natürlich sind Diskussionen wichtig. Es sind die billigsten Prototypen der Realität. Sie sind sehr schnell erstellt, aber extrem ungenau. Und das mit dem blinden Fleck ist auch so eine Sache: Dass es ihn gibt, wissen alle. Schlimm ist aber nicht, dass man am blinden Fleck nichts sieht (das ist auch nicht wahr, wir sehen ja nicht zwei schwarze Punkte). Schlimm ist, dass man nicht sieht, was man nicht sieht. Das Hirn ergänzt das Bild im blinden Fleck. WIr meinen, wir sähen die Realität. Dabei sehen wir gar nichts, und das Hirn ergänzt.
--> Diskussionen brauchen deshalb einen Notausstieg. Er heisst: "Und jetzt, was tun wir konkret, um einen Schritt weiterzukommen?"
3. Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist in der Theorie kleiner, als in der Praxis.
Bertrand Piccard beschreibt dies eindrücklich: "Wir sind oft überzeugt, die Grenze des Möglichen sei hier." Er deutet einen Punkt an auf dem Boden und schreitet darauf zu. "Probieren wir es jedoch aus, merken wir. Hier ist sie gar nicht. Vielleicht hier, einen Schritt weiter?"Piccard macht Schritt um Schritt von einer vermuteten Grenze zur Nächsten. Irgendwo findet man die Grenze natürlich. Der Fokus liegt jedoch darauf, sie zu suchen, zu lernen (und darauf, sich soweit zu schützen, dass einen die tatsächliche Grenze nicht verletzt).
4. Solche Chefs wirken einengend
Es ist schwierig, Mitarbeitende ihren eigenen Weg finden zu lassen. Aber oft viel wirksamer. Zu starke Überzeugungen, wie etwas gemacht werden soll, schaffen ein Führungsklima der Enge.
5. Und hinter all dem lauert die Expertenfalle
Fazit
Wirksame Führung ist ein Mindset, eine Haltung. Der direkte Weg dazu ist, seine Bedürfnisse und Werte zu sortieren. Hier gehts zur Reflexion der eigenen Bedürfnishierarchie.
PS: Führen ist eine Dienstleistung. Für Ego ist in der Führung wenig Platz. Hier ein Arte-Beitrag genau dazu: Wie werden wir Arschlöcher los. (Verfügbar bis März 2026)
Quellen
Vieles hier ist aus dem Blickwinkel der Innovation beschrieben. Es funktioniert aber auch im reproduzierenden Kontext. Auch in der perfekt qualitätsgesicherten Produktion gibt es mehr Zufälle als manchem Qualitätssicherheitsguru lieb ist. Qualitätssicherung macht sich den Zufall zum Feind. Das Obige Mindset macht sich den Zufall zu Nutzen. Viel darüber beschrieben und weitere Quellen dazu finden sich im Kapitel Wissensarbeit und Innovation von Stefan Heer, im Buch Psychologie für Führungskräfte.